Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahnheilkunde

Ästhetik in der Zahnmedizin

Artikel von Prof. Dr. mult. Robert Sader - Präsident des DGÄZ e.V.

 

Liebe PZVD` lerinnen und PZVD´ler,

vor nicht allzulanger Zeit hatte ich an dieser Stelle schon einmal ausführlich mit Ihnen diskutiert, dass Bleaching als zunächst kosmetisch betrachtetes Behandlungsverfahren durchaus auch seine medizinische und ästhetische Berechtigung hat. Diese Gedanken, die speziell ethische Gesichtspunkte beinhaltet haben, möchte ich weiterführen:

Was bedeutet für den Zahnarzt/ die Zahnärztin die Frage eines Patienten nach „schöneren“ Zähnen, wenn seine Zähne aus medizinischer Sicht gut funktionieren?

Was sagt Wikipedia zu den Aufgaben eines Zahn“arztes“?. Hier steht: „Ein Arzt ist ein medizinisch ausgebildeter und zur Ausübung der Heilkunde zugelassener Heilkundiger. Der Arztberuf gilt der Vorbeugung (Prävention), Erkennung (Diagnose), Behandlung (Therapie) und Nachsorge von Krankheiten, Leiden oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen und umfasst auch ausbildende Tätigkeiten.“ Und genauso gilt für uns: „Das Tätigkeitsfeld eines Zahnarztes beinhaltet Prävention, Diagnose und Therapie von Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen.“ Der Zahnarzt behandelt also Krankheiten und soll Gesundheit (wieder)herstellen.

Machen wir den nächsten Schritt und fragen Wikipedia, was ist Gesundheit: „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“ Das besagt die seit 1 948 geltende Definition der WHO - World Health Organisation. Und weiter geht es mit: „Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“

Gesundheit ist sehr weit gefasster Begriff, der nicht nur auf das Körperliche reduziert und vereinfacht als Abwesenheit von Krankheit verstanden werden darf. Laut Wikipedia werden Übergangsbereiche zwischen den beiden Zuständen „gesund“ und „krank“ mit dem Verlegenheitsbegriff "Befindlichkeitsstörung" bezeichnet,der man aber einen temporären Charakter unterstellt. Ist die Befindlichkeit permanent und irreversibel gestört, wird die Grauzone in Richtung des Krankheitsbegriffes verlassen.

Wichtig ist, unabhängig von einem solchen Bedeutungskontext, dass Gesundheit vor allem ein subjektiv empfundener Zustand sein kann (oder ist). Hier treffen Krankheit und Gesundheit in einer großen Grauzone aufeinander: Man kann krank sein, sich aber (speziell bei Abwesenheit von beeinträchtigenden Symptomen) gesund fühlen. Umgekehrt kann ein Patient sich krank fühlen, aber klinisch betrachtet vollkommen gesund sein. Wo wollen wir hier unseren Patienten mit seinem Wunsch nach schöneren Zähnen einordnen? Wie dürfen wir mit einem Patienten umgehen, der mit seinen gealterten, verfärbten und eventuell schmelzrissigen und abgeknirschten Zähnen nicht mehr zufrieden ist?

Wie gehen wir mit jugendlichen Patienten um, die mit ihrer Zahnfarbe und/oder Zahnform und Zahnstellung nicht zufrieden sind?

Vor der Beantwortung dieser Frage möchte ich einen weiteren Aspekt diskutieren: Krankheiten treten in der Regel durch Auftreten von Symptomen in Erscheinung. Diese veranlassen den Patienten zur ärztlichen bzw. zahnärztlichen Konsultation. Dort wird die Krankheit diagnostiziert und Ärzte und Zahnärzte versuchen, die Krankheiten zu heilen. Früher war damit das Arzt-Patienten-Verhältnis einseitig „paternalistisch“ geprägt. Der Arzt stellt die Diagnose und behandelt. Mit steigender Patientenautonomie ist jedoch ein zunehmend symmetrisches Beziehungsverhältnis entstanden. Unter Berücksichtigung dieses Krankheitsbegriffes führt dies jetzt dazu, dass heute nicht nur der Arzt, sondern auch der Patient sich als krank definieren darf, sich also selbst diagnostiziert und damit die Behandlungsindikation stellt. Dies führt dazu, dass der Patient sich zunehmend in eine Kundenrolle hineinentwickelt. Als Kunde konfrontiert er den Arzt mit einem Behandlungswunsch und beauftragt diesen, sein erworbenes medizinisches Wissen für eine Behandlung einzusetzen.

Und dieser Wunsch kann durchaus divergent sein zu einer klassischen Heilbehandlung. Drei Beispiele möchte ich Ihnen nennen, wann heutzutage Ärzte medizinisch behandeln auf Patientenwunsch, ohne dass dabei eine Heilung angestrebt wird:

  • In der Schönheitschirurgie wird das Äußere des Gesichtes verändert, manchmal zur (temporären) Korrektur eines Alterungsprozesses, manchmal zur Annäherung an ein subjektiv empfundenes Schönheitsideal.
  • In der Reproduktionsmedizin wird mit medizinischen Methoden ein Kind gezeugt, um einem - manchmal sogar gleichgeschlechtlichem Menschenpaar - einen Wunsch zu erfüllen und die beiden glücklich zu machen.
  • In der Palliativmedizin werden sterbende Menschen nicht geheilt, aber der Sterbeprozess wird Ihnen erleichtert, sie erhalten psychische und medikamentöse Unterstützung. In manchen Ländern gibt es sogar die aktive Sterbehilfe durch einen Arzt.

In diesen drei Fällen wird die Behandlungsindikation alleine vom Patienten gestellt und nicht vom Behandler. Auch wenn wir in der Zahnmedizin weit von solchen Beispielen entfernt sind, so zeigt sich dadurch, dass in der Zahn-Medizin eine Behandlung rein aus ästhetischen Gründen legitim sein kann, da wir unserem Patienten den Wunsch nach schöneren Zähnen erfüllen dürfen.

Schauen wir uns einmal die 4 ethischen Grundprinzipien an in Bezug auf unsere Frage. Ist es von ethischer Seite her legitim, unserem Patienten seinen Wunsch nach schöneren Zähnen zu erfüllen?

  1. Fürsorgepflicht für den Patienten: der Zahnarzt erfüllt uneingeschränkt den Behandlungswunsch des Patienten und dieser ist anschließend zufrieden. Dieses erste ethische Grundprinzip ist also uneingeschränkt erfüllt.
  2. Selbstbestimmung des Patienten: auch dieses ethische Prinzip ist erfüllt, der Patient bestimmt alleine und vollkommen autonom, was er behandelt haben möchte.
  3. Gerechtigkeit gegenüber anderen Patienten: Da jeder Patient prinzipiell die Möglichkeit hat, eine ästhetische Behandlung durchführen zu lassen, ist die formale Gerechtigkeit ebenfalls gegeben. Natürlich kann sich nicht jeder Patient die gewünschte ästhetische Behandlung leisten, aber diese materielle Gerechtigkeit liegt nicht in der Hand des Behandlers.
  4. Nichtschadensprinzip: Hier kommen wir jetzt zu einem aus ethischer Sicht kritischen Punkt: Wenn der Behandlungswunsch erfüllt wird, darf dem Patienten dabei nicht geschadet werden, d.h. die medizinischen und zahnmedizinischen
    Aspekte müssen adäquat berücksichtigt werden. Der Wunsch des Patienten nach schöneren Zähnen darf nur dann erfüllt werden, wenn ihm bzw. seinen Zähnen oder seinem Kausystem dadurch nicht geschadet wird.

Damit sind wir in einem ethischen Dilemma, denn jede Behandlung kann Komplikationen mit sich bringen. Daher muss der ästhetisch arbeitende Zahnarzt sich in ganz besonderer Weise mit den Wünschen seines Patienten auseinandersetzen. Prof. Karrer, Hannover: „Wenn die Seele schmerzt, ist der Arzt gefordert“. Er muss den Patienten darüber aufklären, dass er mit seinem autonomen Behandlungswunsch sich durchaus selbst schaden kann.

Aus dem Gesagten möchte ich deshalb am Ende den Schluss ziehen, dass eine ästhetische zahnärztliche Behandlung prinzipiell aus medizinischer und aus ethischer Sicht erlaubt ist, aber ganz besondere Voraussetzungen hat gegenüber einer rein heilenden Behandlung. Nach einer adäquaten Anamnese und einer umfassenden Befunderhebung, die auch funktionelle Parameter einschließt und darauf basierende Behandlungsplanung müssen dem Patienten ausführlich die Nachteile einer solchen
Behandlung begreiflich gemacht werden, wie z.B. das Auftreten von kostengenerierenden Komplikationen.

Und natürlich dürfen diese Nachteile, wenn sie auftreten, nicht zu Lasten anderer gehen, sprich solche Behandlungen und ihre Folgen dürfen nicht die Solidargemeinschaft belasten, d.h. der Patient muss sie selbst zahlen. Damit gehört die ästhetische Zahnmedizin bei dieser Konstellation in den Bereich des zweiten Gesundheitsmarktes, der weder durch das GKV-System als auch durch das PKV-System abgedeckt ist. Der mündige Patient darf entscheiden, er muss aber auch dafür bezahlen.

Das wichtigste aber, was daraus folgt ist, dass auch rein ästhetische Behandlungen immer in die Hand eines Zahnarztes gehören, denn nur dieser kann den Patienten umfassend über die (negativen) Konsequenzen seines Handelns aufklären.
Ansonsten besteht die Gefahr wie z.B. bei Tätowierungen oder Botox-Injektionen durch kosmetische Berufsgruppen, dass Nichtmediziner ästhetische Behandlungen durchführen, die irreversibel sind und über deren Konsequenzen die Behandelten nie richtig aufgeklärt sind. Aktuelles Beispiel dafür ist Bleaching, wenn es nicht fachgerecht durchgeführt wird, sondern als do-it-yourself-Therapie im Supermarkt gekauft werden kann.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr

Robert Sader